Wladimir Pantchev – geboren 1948 in Sofia, seit 1991 in Wien ansässig, Freund und enger Mitgestalter des Ensemble Wiener Collage (EWC) – ist am 8. September 2021 ganz plötzlich, im Schlaf, von uns gegangen. Die Tragik des nur wenige Monate zuvor in gleicher Weise verstorbenen Sohns hat ihm sehr zugesetzt.

Mir und dem von mir mitgegründeten EWC war er nicht nur ein treuer Freund, er war aktiver Miterbauer an den Strukturen und Möglichkeiten des Ensembles. So ermöglichte er dem Ensemble mehrere Auftritte in Bulgarien, war in seinen Gremien aktiv, vor allem aber bereicherte er das Repertoire des Ensembles mit eigenen Werken. 

Die Stärke seines kompositorischen Schaffens lag vor allem in seiner Fähigkeit, in jedem seiner Werke eine unmittelbare, einmalige Stimmung zu erzeugen und diese bis zum Ende aufrechtzuerhalten. Dabei bediente er sich heterophoner Techniken, wie sie der Volksmusik seines Geburtslandes immanent sind. *

Das erste Werk, das er für uns schrieb, war die 1996/97 komponierte Hommage à Denisov für Klarinette, Saxophon, Violine und Klavier: ein vom EWC oft gespieltes Werk, dessen Atmosphäre von der bulgarischen Folklore geprägt ist und das beschlossen wird von einer Vision schwerer Kirchenglocken, wie sie in der orthodoxen Tradition osteuropäischer Gläubigkeit verankert sind – ein später Nachklang von Mussorgskys Boris Godunov.

Sein 1998–2000 geschriebener Zyklus Quartets ist ein monumentales Kammermusikprojekt, das in 16 sehr unterschiedlichen Stücken in zuweilen abenteuerlichen Besetzungen die Möglichkeiten des Quartettspiels auslotet, und das Material für zukünftige Projekte des Ensembles geliefert hat. Es folgten 2001–2004 konzertante Werke für Kontrabass, Posaune, Flöte und Trompete. Besonders beeindruckten seine Werke Koléda und Kukeri, die weihnachtliche Traditionen und alte Märchen aufgreifen. In den beiden Monaten vor seinem Ableben war ein neues konzertantes Werk im Gespräch, das sich nun leider nicht mehr verwirklichen wird.

Es erfüllt mich mit Stolz, am Entstehen vieler seiner Werke beteiligt gewesen zu sein. Wladimirs Schaffen offeriert nicht nur dem EWC, sondern auch anderen Ensembles wichtiges und spannendes Material. Es ist Teil jener so lange vor uns verborgenen, oft vernachlässigten und immer noch nicht voll erkannten Musiktraditionen Osteuropas, aus der viele Details erst langsam in unser Blickfeld geraten. Wladimir Pantchevs Werk ist eine Notwendigkeit im europäischen Kontext. Es gilt, sein Werk jetzt der breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

* Für eine eingehende Würdigung seines Schaffens siehe meinen Aufsatz in der Essaysammlung Stimmen der Vielfalt, Wien 2018.