In den gut 14 Jahren unserer Zusammenarbeit, in denen er mein wichtigster Klavierpartner war (zwischen 1979 und 1992), wurde Harald zu einem Freund, der mich nicht nur als Geiger begleitete, sondern auch meinen Weg als Komponist.
Unvergessliche gemeinsame Erlebnisse säumen die Erinnerungen an einen großen Künstler und Menschen. Ob dies nun das Berg’sche Kammerkonzert war, das wir mehrmals in Frankreich gemeinsam mit Peter Burwiks ensemble XX. jahrhundert spielen durften – darunter auch ein Freiluftkonzert bei der Fondation Maeght in St. Paul de Vence, bei dem wir in Konkurrenz zu quakenden Fröschen und zirpenden Grillen auftraten! Oder die vielen Raritäten, die wir in ganz Europa aufführten und aufgenommen haben, darunter Sonaten von Johann Wolfgang Korngold, Bruno Walter, Albert Roussel, die 2. Sonate von Camille Saint-Saëns oder das Duo von Franz Liszt.
Unsere gemeinsame Liebe zur Gegenwartsmusik und zur Musik der klassischen Moderne spielte eine große Rolle in unserer Zusammenarbeit: Werke von Bela Bartók, George Enescu, Schönberg und Webern, aber auch von österreichischen Komponisten wie Erich Urbanner, Robert Schollum oder Friedrich Cerha waren Teil unseres Repertoires. Zudem genoss ich jahrelang seine Unterstützung als Partner bei Aufführungen meiner eigenen Kompositionen.
Harald entwickelte sich zu dieser Zeit zu einem anerkannten Kammermusiker, er wurde Partner des großen Geigers Henryk Szeryng, denkwürdig sein erster Auftritt mit Szeryng im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins im Jahr 1979 oder ein Konzert in einem obskuren Casino in der Nähe von Genf. Er war auch Partner von Josef Sivó oder Florian Kitt und vielen anderen, und jahrzehntelang Mitglied eines Klaviertrios. Zuletzt widmete er sich gemeinsam mit Christos Marantos der vierhändigen Klavierliteratur. Eine Auftragskomposition für die beiden wurde schließlich unsere letzte gemeinsame künstlerische Zusammenarbeit.
Harald besaß auch als leidenschaftlicher Pädagoge einen großen Namen. Für mein Ensemble Wiener Collage war das insofern bedeutend, als er uns einst seinen Studenten Johannes Marian empfahl, der nun seit fast drei Jahrzehnten der ständige Pianist dieses Ensembles ist.
Harald war eine Inspiration für mich, ein anteilnehmender Freund. Er ist durch nichts und niemanden zu ersetzen. Er wird allen, die ihn kannten und mit ihm arbeiten durften, sehr fehlen.
René Staar und Harald Ossberger interpretieren Staars Epilogue to »Just an Accident?« op. 9 ter
Staar und Ossberger interpretieren Staars Hommage à und temps perdu op. 6
Staar und Ossberger interpretieren Erich Urbanner, 5 Stücke für Violine und Klavier
In den vergangenen anderthalb Jahren ist eine ganze Reihe neuer Werke entstanden, über die Sie hier nähere Informationen erhalten können:
Metaphysischer Jazz op. 22q bis (2019/20) besteht aus zwölf Nummern für Solo-Akkordeon und ist Alfred Melichar gewidmet. Eine Aufführung der Nummern 5 und 6 des Zyklus kann man am 21. März 2021 in einem Livestream anhören. Das Konzert bleibt bis zum 11. April weiterhin abrufbar.
... von dieser Sterneinsamkeit zu jener Sterneinsamkeit ... op. 22q ter (2019) für Solo-Harfe ist eine Bearbeitung der Nr. 4 des Metaphysischen Jazz und wurde für Gabriele Mossyrsch geschrieben, die es am 19. Januar 2020 bereits uraufgeführt hat.
Die kurze Invention en bleu pour piano op. 22q après quinquies (2020) entstand als Beitrag zu einem noch nicht fertig gestellten YouTube-Video, das sich der Frage widmet: „Was ist eine Invention?“
Die Pensées op.22q quater (2019/20) sind zwei aufeinander bezogene Zyklen ultrakurzer Miniaturen: der erste Zyklus (A) für Violine und Klavier linke Hand, der zweite Zyklus (B) für „Klavier dreihändig“, das heißt für Klavier zu zwei Händen und Klavier linke Hand am selben Instrument.
Auch bei den Studies for Strings op. 27 gab es einen Zuwachs: Eine Studie für Streichtrio »Atemlose Beklemmung« op. 27 III C Nr. 1 (2021), die unter dem Eindruck der Fernsehbilder des Sturms rechtsradikaler und faschistischer Bevölkerungsanteile der USA auf das Washingtoner Capitol am 6. Januar 2021 entstand.
Bei den soeben fertig gestellten Evoluzioni op. 22q septies (2020/21) handelt es sich um sechs Stücke für ungarisches Cimbalom und Streichquartett.
Ein Freund ist von uns gegangen. Ein Freund des Ensemble Wiener Collage, ein Freund der modernen Künste und Ideen, der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, ein intimer Kenner von Arnold Schönbergs Ode to Napoleon Buonaparte op. 41, des Werks von Ernst Krenek und anderer bedeutender Komponisten der letzten Jahrzehnte.
Wie erst kürzlich bekannt wurde, verstarb der amerikanische Bariton und Pädagoge Michael Ingham im Alter von 75 Jahren am 28. Januar 2020 an den Folgen eines Herzinfarkts in Santa Barbara, Kalifornien. Viele von uns werden sich an seine exemplarischen Auftritte als Sprecher in Schönbergs Ode to Napoleon Buonaparte erinnern, die er gemeinsam mit dem Ensemble Wiener Collage nicht nur am Arnold Schönberg Center in Wien (erstmals im März 1998 beim »Schönberg Festival«, der Eröffnungswoche des Schönberg Center), sondern auch beim 1. Festival der Neuen Musik in Lissabon »Música em Novembro« 1998 und in Tokyo/Yokohama 2007 absolvierte. Dem Ensemble Wiener Collage war er ein verlässlicher und versierter Partner, mit dem er bereits bei seinem Gründungskonzert 1987 konzertierte und beim 10. Jahresjubiläum Werke von Luigi Dallapiccola und mir selbst präsentierte.
Geboren wurde Michael Ingham am 16. Juli 1944 in Texhoma an der Grenze zwischen Oklahoma und Texas.
In drei im April 2020 produzierten Videos interpretiert und erklärt René Staar sein 1984 entstandenes Stück Minuit à la Perle du Lac - un ciel étoilé (Extrait du 2ème Divertissement Suisse op. 10/2) in der Fassung für Klavier.
Die Videos können auf Staars neuem Youtube-Kanal angesehen und angehört werden.
Weitere Videos werden folgen.
Die beiden Sammlungen Studies for Strings op. 27 und Studies for Winds op. 29 sind in den letzten beiden Jahren um mehrere neue Stücke angewachsen.
Die drei neuen Studien für Streicher:
Studie für Viola solo »Harmonische Varianten« op. 27 I Nr. 1 (2018)
Studie für Cello solo »Anstachelung« op. 27 I Nr. 2 (2019)
Studie für 3 Celli »Drei wandernde Augengläser« op. 27 III A Nr. 1 (2019)
Drei neue Bläserstudien:
Studie für 2 Flöten »Libellen« op. 29 II A Nr. 1 (2019)
Studie für Sopran- und Tenorsaxophon »Spiel« op. 29 II B Nr. 1 (2019)
Studie für 2 Oboen und Englisch-Horn »Aus der Mottenkiste« op. 29 III B Nr. 1 (2019)
Auch der Hommagen-Zyklus op. 14 wurde um eine weitere »Hommage« erweitert: Monsieur Moderne op. 14/13 entstand 2019 und ist Karlheinz Roschitz zugeeignet.
Zur Zeit spielt René Staar für den 2. Band seiner Violinschule Übungen, Miniaturen und Ensemblestücke im multiplen Playback ein.
Die Aufnahmen werden integraler Bestandteil seines mehrbändig angelegten umfassenden Lehrwerks sein.
Alle Stücke (Duette) sind auch als music minus one zu hören, was dem Geigenschüler ermöglichen wird, diese auch ohne Partner zu üben und zu spielen.
Foto: René Staar mit Martin Klebahn, Tontechniker und Studioleiter der 4tune Studios
Ein Zyklus von Fünf Balladen für Klarinette und Klavier op. 22o wurde im Dezember 2018 mit der Komposition einer vierten und fünften Ballade abgeschlossen. Eine Aufführung ist für Dezember 2019 vorgesehen.
Die Klarinettenballaden entstanden auf Anregung des Klarinettisten Stefan Neubauer, der die ersten drei Balladen bereits im November 2017 im Wiener Musikverein uraufgeführt hat.
Nach der erfolgreichen Aufführung der Fantastic Dances op. 22l im Jahr 2016 mit dem Tokyo City Philharmonic Orchestra unter Ken Takaseki vor dem japanischen Kaiserpaar hatte René Staar erneut einen Kompositionsauftrag des Pianisten Izumi Tateno angenommen, diesmal für eine Sonate für Klavier linke Hand. Die Komposition der Sonata for piano left hand op. 22l bis wurde im Juni 2018 abgeschlossen.
Aus Anlass des 30-Jahr-Jubiläums des Ensemble Wiener Collage hat sich René Staar eingehend mit den komponierenden Mitgliedern des Ensembles auseinandergesetzt: in insgesamt zwölf umfangreichen Essays widmet er sich dem Schaffen der Komponisten Eugene Hartzell, Erik Freitag, Zdzislaw Wysocki, Wladimir Pantchev, Herbert Lauermann, Alexandra Karastoyanova‐Hermentin, Alexander Stankovski, Jaime Wolfson, Gerald Resch, Dietmar Hellmich, Charris Efthimiou und Thomas Wally.
Die Essaysammlung ist als Online-Publikation hier abrufbar (auch in englischer Übersetzung).