1. Växande slottet (Das wachsende Schloss) op. 13/1

Besetzung: für Solovioline und Kammerensemble (Oboe, Klarinette, Fagott, Horn, Trompete, Violine, Viola, Violoncello und Klavier)
Aufführungsdauer: ca. 7 Minuten

Uraufführung: 1986, Göteborg (Konserthus), durch das Ensemble XX. Jh., Peter Burwik, René Staar

Notenmaterial: ECA Nr. 9016
Erhältlich über:
Edition Contemp Art (Verlagsgruppe Hermann)
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Notizen zum Werk:

Das wachsende Schloss ist das erste der »Fragmente eines Traumspiels«, die nur zu einem sehr geringen Teil umgesetzt wurden. Geplant war ein abendfüllendes Werk, in dem sich der Komponist mit seiner Kindheit in Skandinavien auseinandersetzt. Weitere Anregungen waren Strindbergs »Ett Drömspel« (Ein Traumspiel) und Ingmar Bergmans »Smultronstället« (der Film »Wilde Erdbeeren«). Dabei sollte ein Bogen geschlagen werden über Kammermusik zum Solokonzert und zur Symphonik; ein Stummfilm war als spirituelles Zentrum gedacht, von dem die Musik ausgeht und wieder hinführt.

Bei einer Tournee nach Schweden, die René Staar und Erik Freitag 1985 für das Ensemble XX. Jahrhundert unter Peter Burwik organisiert hatten, sollte auch ein Stück von Staar uraufgeführt werden. Von dieser Möglichkeit angeregt, machte er sich daran, einen ersten Teil dieses Projektes fertigzustellen. Ein Teil des ersten »Fragments« war fertig, als die Nachricht von der Ermordung des schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme bekannt wurde. Spontan beschloss Staar, eine Trauermusik zu komponieren, die schließlich als 2. Satz zum Wachsenden Schloss als Fragmente eines Traumspiels in Schweden uraufgeführt wurde. 

Später wurden beide Sätze getrennt. Dem Wachsenden Schloss sollten weitere »Fragmente« beigesellt werden, dazu ist es allerdings bis heute – 2013 – leider nicht gekommen.

Das wachsende Schloss ist ein Symbol aus Strindbergs »Traumspiel«. Am Anfang dieses Stücks steigt Indras Tochter vom Wohnsitz der Götter herab, um das Leid der Sterblichen am eigenen Leib zu erfahren. Zunächst kommt sie an ein aus der Erde wachsendes Schloss, in dem ein Mann eingekerkert ist. Dieser wird im Verlauf des Strindbergschen Schauspiels bestimmend für den Wandel der Göttin zu einer Sterblichen.

Das von dieser Situation inspirierte Stück geht von der umgekehrten Perspektive aus: die Violine als im »wachsenden Schloss« gefangenes Individuum erfährt durch das sie umgebende Ensemble den Traum, die Vision einer zur Erde gekommenen Göttin, die menschliche Gestalt angenommenen hat – daher auch die Parallele zum Stummfilm, dem Medium der Irrealität.

Die Musik entstand 1986 in Genf in einer Periode, in der intervallische Strukturen zum dominanten Baustein der Kompositionen wurden. Sie ist filmschnittartig gegliedert, und visuelle Vorstellungen prägen den Verlauf und die Idee dieses Fragments. Musikalisch inspiriert wurde die Komposition auch von den bei schwedischen Spielmännern gebräuchlichen vierfachen Wiederholungen eines Abschnitts einer Phrase. So wird das Instrument zu einer fast lebendigen Figur, gleichsam einem Individuum der Phantasie des Komponisten, die immer wieder in neuen Situationen neue Wege sucht. (René Staar)