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Bislang ist nur eine von geplanten 6 Inventionen ausgeführt:

Invention I (2005)

Besetzung: für Geige und Violoncello
Aufführungsdauer: ca. 5 Minuten

Uraufführung: 2005 im Theater Akzent durch Susanne Müller und René Staar

Notizen zum Werk:
Die Inventionen op. 22h bilden gemeinsam mit den Descendances imaginaires op. 22f und den Réminiscences sur le nom de B.A.C.H., Premier Vision op. 22 avant f jenen Teil aus dem unter »op. 22« zusammengefassten Werkkomplex, den der Komponist gerne als »seine Harmonielehre« bezeichnet, und der sich mit der Verbindung von Ganztönigkeit, Chromatik und Mikrointervallik (hier: Vierteltönen) auseinandersetzt.
Dazu spielen die Spieler auf mikrointervallisch skordierten Instrumenten, deren Stimmung jedoch nicht auf allen Saiten verändert wurde.

Vorab ein Wort zu mikrotonalen Prozessen:

Trotz vieler bedeutender Gedanken und Ideenansätze ist das Gebiet der Mikrotonalität auch heute noch weitgehend unerforscht. Es scheint einfach zu sein: Erschöpft sich der Tonvorrat aus einer bestimmten Tonalität, wendet man sich einer anderen zu, die noch neue Möglichkeiten zuzulassen scheint. So wurden die Intervalle immer kleiner, das strukturelle Hören immer verfeinerter, und dies wird seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden von verschiedensten Musiktraditionen in Theorie und Praxis umgesetzt. Für die Moderne ist der Gedanke an kleinere Einheiten als die einer Sekunde ein theoretisch oftmals berührter Weg, in der Praxis der Komposition und der Interpretation ist er aber stets nur sporadisch gestreift worden.

Zunächst wurde Mikrotonalität eher als klangfarbenveränderndes Phänomen eingesetzt, denken wir z.B. an die Mythen op. 30 von Karol Szymanowski oder das 2. Violinkonzert von Bela Bartók. Komponisten, die sich ausschließlich diesen Phänomenen widmeten, wurden als Experimentierer verrufen und konnten sich sowenig wie einzelne Werke bedeutender Meister durchsetzen. Die ursprüngliche Vierteltonfassung des letzten Satzes der Violinsolosonate von Bartók beispielsweise erklingt auch heutzutage nur vereinzelt in Konzertsälen.

In den beiden letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hat man versucht, die Mikrotonalität über die Beschäftigung mit außereuropäischen Musiktraditionen oder die Stimmungen der Instrumente einzuführen. Ich denke da z.B. an Friedrich Cerhas Streichquartette, die aus der Beschäftigung mit arabischen Modellen heraus erwuchsen, an den Einfluss balkanischer Volksmusik (z.B. in Dikhthas von Iannis Xenakis) oder an Experimente mit Scordaturastimmungen der Streichinstrumente (z.B. Ligeti Ramifications, oder, raffinierter, in seinem Violinkonzert). Die Vierteltonverschiebungen mittels verschiedener Stimmungen habe ich selbst in meinem Werk Descendances imaginaires op. 22f aufgegriffen, in dem ich zwei Streichorchester einander gegenübergestellt habe, die um einen Viertelton abweichend gestimmt sind.

Zur ersten Invention für Geige und Cello:
Die tiefen Saiten der Instrumente werden einen Viertelton unter der Normalstimmung klingen, die hohen einen Viertelton darüber. Das bedeutet: Stimmung des Cellos: Vertieftes c - g (normal) - d (normal) - erhöhtes a; Stimmung der Violine: Vertieftes g - d (normal) - a (normal) - erhöhtes e. Dadurch ergibt sich ein Gesamtspektrum, das zwei vertiefte leere Saiten (C-G), drei normal gestimmte Saiten (g-d-a) und zwei erhöhte Saiten (a-e) umfasst.

Die musikalische Struktur dieses vierminütigen Stücks geht auf die Idee zurück, zunächst von dieser Stimmung aus Intervallzellen zu entwickeln, die letztlich dann eine nicht bloß durch die Stimmung verfremdete, sondern auch gegriffene, echte Vierteltonmusik ereicht. Dadurch wird dieses Stück zu einer Herausforderung für die Interpreten, die genau wissen müssen, auf welche Saiten sie in welcher Weise greifen müssen, um die gewünschten Töne zu produzieren. In gewisser Weise ist es notwendig, das Instrument neu zu lernen.